Poesie und Ökonomie
Mit diesem Begriffspaar möchten wir das Feld der Diskussion möglichst weit öffnen, da sie sich grundsätzlich nicht nahe stehen, in unserer Arbeitsweise aber zusammenhängen.
Wir versuchen in einem transversalen und ganzheitlichen Prozess die Ökonomie anders zu denken, ihr in unserer Arbeit eine aktive Rolle zu geben. In unserer Gesellschaft stellt die Ökonomie seit jeher ein wichtiger Grundpfeiler dar, an dem kaum ein Weg vorbeiführt. Auf der Ebene der Makroökonomie als monetär-orientiertes System genauso wie auf der Ebene der Mikroökonomie als Handlungsmodell im Sinne von haushälterischem Umgang mit Vorhandenem (mit zur Verfügung stehendem). Wir versuchen nun die Ökonomie als Triebkraft, als Motor für die Architektur zu verwenden, um durch sie das grösstmögliche Potenzial freisetzen zu können.
Wir versuchen also die Ökonomie nicht einschränkend sondern ermöglichend zu gebrauchen. Das geht weit darüber hinaus, ökonomische Rahmenbedingungen einfach von Beginn weg zu beachten. Es geht vielmehr darum, und deshalb die Formulierung „transversal und gesamtheitlich“, die Ökonomie in eine aktive Rolle zu bringen und sie der Ermöglichung qualitätsvollen Lebensraumes zu ermächtigen. Das bedingt aber, dass die Ökonomie aus ihrer gängigen Konnotation herausgelöst werden muss. Dafür ist die neoklassische Ökonomielehre, die zur heutigen Makroökonomie geführt hat, und welche die enorme Komplexität der offenen und unbestimmten (urbanen) Prozesse nicht mehr abzubilden vermag, kritisch zu hinterfragen. Offensichtlich müssen also alternative Denkmodelle herangezogen werden. Ähnlich dem „Technologietransfer“ kann dafür auch ein „Modell-Transfer“ herangezogen werden. Es stehen dazu bereits potente Modelle und Bewegungen bereit und müssen auf ihre Kapizät geprüft werden.
Das heisst also, dass die Ökonomie aufgrund ihrer aktiven Rolle zu einem grundlegenden Entwurfswerkzeug wird. Aber wie jedes Werkzeug ist es per se, ohne Absicht dahinter, nutzlos. Architektur hat das Potenzial, beim unmittelbaren und alltäglichen Lebensraum des Einzelnen anzusetzen, indem sie eine Maximierung der Möglichkeiten lebenswerter Räume und Bedingungen für Alle anstrebt. Durch diese Absicht sucht die Ökonomie als kritisches Werkzeug immer die Differenz zum Mehrwert. Wichtig dabei ist zu bemerken, dass die Ökonomie nie als isolierte Massnahme gebraucht werden darf, z.B. nur zur simplen Senkung von Baukosten, da ihr sonst sofort nicht mehr die aktive, ermöglichende Rolle zukommt.
Eine solche Ökonomie richtet ihre Aufmerksamkeit auf das, was vorhanden ist. Eine Ökonomie also, die nicht Einschränkung bedeutet, sondern die den Vorschuss, die Energie, des bereits Vorhandenen nutzt und nicht vernichtet. Damit sind umfassend alle lokalen Elemente und Energien gemeint, also nicht nur Bauliche, sondern auch Lebendige und Relationale (Beziehungen). „So viel wie möglich „mit“ (faire avec), so wenig wie möglich „gegen“ (faire contre) die lokalen Energien an einem bestimmten Ort tun.“ (Zitat Gilles Clément). Das bedingt, den Blickwinkel von Innen nach Aussen zu richten. Diese Herangehensweise ist ein arbeiten „case by case“ und hat das Potenzial, die Dinge in einem anderen Licht erscheinen zu lassen, wodurch sich neue Möglichkeiten eröffnen können, die vorher nicht existent waren. Nach Hans-Peter Dürr ist Wirklichkeit nicht Realität, Wirklichkeit ist Potenzialität. Es entsteht ein Moment, in dem plötzlich wieder Etwas möglich ist. Das ist Poesie.