Faire avec
Architektur als gebaute Umwelt gehört zur Normalität des Alltags. Wo setzten wir ein, wo beginnt unsere Arbeit, unser Gärtnern?
Als erstes versuchen wir zu verstehen. Anstelle des Produzierens von starren Formen versuchen wir die Prozesse zu verstehen um das darin schlummernde Potential zu wecken, es auf ein weiteres «Niveau» zu heben, es zu stärken und somit neue Möglichkeiten zu eröffnen. Dieses Arbeiten verstehen wir als «Arbeiten an den Grenzen». Dieses Arbeiten setzt ein Erkennen der Grenzen voraus, ein Wissen über die Situation, damit unser Eingreifen «mit» dem Vorgefundenen, dem Bestehenden arbeitet, und nicht «dagegen». Dieses immaterielle Wissen ist situationsspezifisch und muss jedes Mal neu erarbeitet werden.
Daraus kann eine Architektur der Beziehungen entstehen, wir setzen unser Handeln in Beziehung zu etwas Vorhandenem, zu einer sich im Prozess befindenden Situation. Dieses Handeln ist punktuell, an den Grenzen, es geschieht im Bewusstsein keine Finalität zu erreichen, keinen abgeschlossenen Zustand, sondern Möglichkeiten zu eröffnen.
Wir versuchen die Analyse einer Situation von innen heraus zu machen, die verborgenen Aspekte aufzudecken, die Zeit als Handlungsfeld, das Unvorhersehbare als Konstante miteinzubeziehen um daraus Möglichkeiten für Neues zu erarbeiten.
Architektur überschreitet hier eine Grenze, weg von der Produktion geistleerer Formen hin zu einem Gestalten von Situationen. Von der Biologie lernen wir, dass Form nur eine vorübergehende Etappe auf dem Weg der nie endenden Evolution ist, sie ist ein Signal, eine Information, nicht mehr, aber auch nicht weniger. Form versuchen wir in diesem Prozess neu zu denken, nicht als geistlose Hülle, sondern als Ermöglichungsstruktur. Form als das Zusammenwirken einer architektonischen Analyse einer bestimmten Situation.
Darin finden wir uns wieder als Gärtner im Sinne Gilles Clément‘s, immanent ist ein Beobachten, Verstehen und Bennen des Vorgefundenen, damit es zu einem «faire avec» führt. Das Samenkorn welches der Wind bringt ist schon in der Situation drin. Was sind nun unsere Werkzeuge?
Übersetzt in unserer Arbeitsweise heisst das, wir versuchen alle Spuren in der Situation aufzudecken, wir sammeln, kratzen, katalogisieren, erstellen Karten, Diagramme, um die Energie die in der Wechselwirkung der sich gegenseitig beeinflussenden Faktoren steckt, als Katalysator für Zukünftiges zu nutzen. Es geht darum, Wissen über eine Situation zu erarbeiten, die Wirklichkeit auf ihre Potentiale abtasten.
Dem Widerspruch, zeitliche Phänomene in dauernde Objekte zu überführen, begegnen wir, indem wir uns an den Gärtner wenden. Der Gärtner beschäftigt sich mit dem Lebendigen, somit beschäftigt er sich auch mit dem Ephemeren. An dieses Ephemere versuchen wir die Architektur möglichst nahe zu bringen, das heisst, wir verstehen ein Gebäude als Struktur, die sich in eine Situation und ihre Prozesse «dazwischen-schaltet», und die erst durch das Handeln, das Be-Wohnen (habiter) der Menschen lebendig wird. In diesem dialektischen Verhältnis des Menschen zu seinem Ort, seinem Lebensraum, sehen wir die Zukunft für unseren Planeten, aus dieser Beziehung erst kann der Mensch fähig sein, ein Bewusstsein für seinen Ort zu erlangen und Verantwortung diesem gegenüber wahrzunehmen.“